Internationale Vortragsreihe "Human after Man", AdBK
Angesichts der enormen Herausforderungen der Gegenwart und ihren ökologischen und gesellschaftlichen Krisen steht auch das Ideal des westlichen weißen Mannes als universaler Repräsentant des Menschlichen wiederholt in der Kritik. Nicht nur die transdisziplinären Diskurse des Posthumanismus und Post-Anthropozentrismus attackieren diese Normierung des Menschseins und dekonstruieren sie gemeinsam mit der Annahme, der Mensch würde eine herausragende Sonderstellung unter den vielfältigen Lebensformen der Erde einnehmen. Auch die Künste, für die das Menschenbild schon immer von genuinem Interesse war, arbeiten intensiv an der Aufhebung lang etablierter Festlegungen des Menschseins und entwerfen in radikaler und teils höchst spekulativer Art und Weise alternative Formen des Humanum.
Doku von 2018 | Internationale Vortragsreihe des cx centrum für interdisziplinäre studien
Human after Man
Der Titel des Jahresthemas bezieht sich auf die Formulierung „Towards Human after Man“ von Sylvia Wynter. Die jamaikanische Autorin und Philosophin plädiert bereits seit mehreren Jahrzehnten für eine Perspektive, die in den Rand- und Schwellenbezirken der vorherrschenden westlich normierten und rassifizierten Konfiguration des Menschen angesiedelt ist, um das Menschsein anders zu denken. Sie schlägt damit parallel zu einer Reihe weiterer Theoretiker_innen der Black Studies eine dekoloniale Konzeption des Menschlichen vor, die in den gegenwärtigen posthumanistischen Diskursen häufig unterbelichtet bleibt. Human after Man versucht dezidiert diese dekoloniale Perspektive mit Ansätzen in Bezug zu setzen, die vorrangig im Klimawandel, gegenwärtigen Artensterben (Ursula K. Heise) oder einer immer engeren Verschmelzung von Lebendigem und Technischem und den damit verbundenen kapitalistischen Ausbeutungsmechanismen (Rosi Braidotti) den zwingenden Anlass für eine Neubestimmung des Menschlichen sehen. Die Vortragsreihe geht dabei in kritische Distanz zum Super- oder Transhumanismus und seiner Idee der technischen Verbesserung oder Erweiterung des Menschen. Der Mensch erscheint in ihr nicht nur als biologisches Wesen, sondern als ein vielgestaltiges Humanum, dessen Formen auch von diversen sozialen und mythologisch-fiktiven Narrativen geprägt sind.
Termine der Vorträge
Beginn jeweils um 19 Uhr in der Historischen Aula im Altbau der Akademie. Genauere Informationen auf adbk.de
DOKU
Vortrag 4: Jenseits der Heteronormativität
Termin: DI 20.11.2018 | 19:00 Uhr
Ort: Historische Aula | Altbau der Akademie | Akademiestraße 2
Maja Gunn, Modedesignerin, Designforscherin, Professorin für Handwerk (Textilkunst), HDK-Academy of Design and Crafts, Göteborg
Zairong Xiang, Gender- und dekolonialer Theoretiker, Komparatist, Universität Potsdam
Die Modedesignerin Maja Gunn und der Gender- und dekoloniale Theoretiker Zairong Xiang fragen, mit welchen Strategien sich heteronormative Strukturen und Praktiken, die eine binäre Geschlechterordnung als soziale Norm artikulieren, hinterfragen und überwinden lassen.
Maja Gunns experimentelle Arbeiten mit Mode basieren auf einer kritischen Entwurfspraxis und umfassen Situationen, in denen die performativen und queeren Potentiale von Kleidung am Körper erforscht werden. Dabei geht die schwedische Designerin von der Annahme aus, dass Mode als Gendermarker funktionieren kann, aber ebenso als ein Werkzeug, um Gender zu dekonstruieren. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit „Body Acts Queer“ (2016) hat sie eine Reihe experimenteller Entwürfe und Situationen entwickelt, die auf unterschiedliche Weise die heteronormativen Zuordnungen, die sich in Mode und Kleidungsstücken, aber auch im Tragen und in der Wahrnehmung von Kleidung manifestieren, kritisch erforschen und queeren. Darüber hinausgehend fragt Gunn grundsätzlich nach dem Potenzial von Design, hierarchische und heteronormative Strukturen zu kritisieren und plädiert dafür, mit normkritischen Entwürfen eine offene und inklusive Gesellschaft zu schaffen.
Zairong Xiang beschäftigt sich aus dekolonialer und gendertheoretischer Perspektive mit der vorherrschenden binären Geschlechterordnung und formuliert in seinem Vortrag die These, dass es fruchtbarer sein könnte, Heteronormativität zu unterlaufen anstatt sie überwinden zu wollen. Entlang einer kritischen Lesart der Yinyang-Philosophie entwirft er das Konzept des Transdualismus als eine Möglichkeit, bestehende Dualismen zu kritisieren, ohne seinerseits einem dualistischen Modell der Kritik verhaftet zu bleiben. Xiangs Ziel ist es damit, die binäre Logik des entweder/oder zu unterlaufen und gleichzeitig das postmoderne Modell „beides-und“ („das berüchtigte ‚alles-geht’“) durch ein transdualistisches „entweder-und“ zu ersetzen. Letzteres versteht binäre Paarungen als operative Kategorien, sieht aber gleichzeitig deren Durchlässigkeit vor.
Maja Gunn ist Modedesignerin und Forscherin, die in ihrer theoretischen sowie gestalterischen Arbeit erkundet, wie sich queere Designpraxis performen lässt. In ihrer Doktorarbeit Body Acts Queer: Clothing as a performative challenge to heteronormativity (Universität Borås, 2016) hat sie untersucht, wie sich die performativen und ideologischen Funktionen von Kleidung und Mode aneignen lassen, um heteronormative Strukturen in Frage zu stellen. Seit 2017 ist Gunn Professorin für Handwerk (Textilkunst) an der Akademie für Gestaltung und Kunsthandwerk an der Universität Göteborg, wo sie derzeit ein neues künstlerisches Forschungsprojekt initiiert, das Kunsthandwerk hinsichtlich seiner normativen Implikationen kritisch untersuchen will. Zuvor erkundete sie in der Ausstellung Norm Form (2017), die sie am ArkDes, Schwedens Nationalem Zentrum für Architektur und Gestaltung, ko-kuratierte, das Potenzial von Design, vorherrschende Normen zu hinterfragen. Gunns Entwürfe wurden international ausgestellt, zuletzt in ihrer Einzelausstellung Play (Schwedisches Textilmuseum, Borås, 2018) und in der Ausstellung A Queen Within Adorned Archetypes (New Orleans Museum of Art, USA, 2018).
Zairong Xiang ist Postdoktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam am Internationalen Graduiertenkolleg Minor Cosmopolitanisms der DFG. Er erhielt eine Cotutelle in Vergleichenden Literaturwissenschaften (summa cum laude) von der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Université de Perpignan Via Domitia mit dem Erasmus Mundus Joint Doctorate Cultural Studies in Literary Interzones. Von 2014-2016 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am ICI-Berlin Institute for Cultural Inquiry. In seiner Forschung überschneiden sich Feminismen und queere Theorien, literarische und visuelle Studien sowie philosophische und religiöse Untersuchungen zu ihren dekolonialen Varianten auf Spanisch, Englisch, Chinesisch, Französisch und Nahuatl. Er hat im akademischen, künstlerischen und journalistischen Umfeld zu Themen wie Camp, feministische Theologie, Darkroom, (De)Kolonialität, Übersetzung, Nahuatl, Fotografie, Pedro Almodóvar, Maskulinität und der Toilette veröffentlicht. Seine erste Monografie Queer Ancienct Way: A Decolonial Exploration erscheint in Kürze bei punctum books. Er ist Mitherausgeber der Sonderausgaben „Hyperimage“ für 新美术 New Arts: Journal of National Academy of Art (February 2018) und „Translation as Concept“ für Siyi Journal (Herbst 2018) und bereitet derzeit „The Ontology of the Couple“ für GLQ – A Journal of Lesbian and Gay Studies vor (erscheint 2019).